INTERVIEW Franz-Josef Hürmann auf der Reise in die eigene Vergangenenheit
BÖNEN _ Noch am vergangenen Samstag stand Franz-Josef Hürmann für die Verbandsliga- Mannschaft der TTF Bönen II in der Sporthalle der Pestalozzi-Schule gegen das TT-Bochum an den Tischen. Es wird bis auf Weiteres der letzte Einsatz des Routiniers für die Bönener Regionalliga- Reserve bleiben. Denn seit Sonntag ist Hürmann in den USA, die er bis Ende November bereisen wird. Die Reise ist für den gebürtigen Hammer ein Trip durch seine alte Heimat, über den er mit dem WA sprach.Herr Hürmann, bis Ende November sind Sie in den USA unterwegs. Geht ihr Schläger mit auf Reisen?
Hürmann: Und ob! Der fliegt sogar mit im Handgepäck. Den trage ich zur Sicherheit immer am Körper. (lacht)
Sie haben in den 70er Jahren mehr als fünf Jahre in Amerika gelebt. Ihre sportliche Vergangenheit ist stark amerikanisch geprägt. Wie steht’s denn um den Kontakt zu alten Weggefährten?
Hürmann: Den gab es immer mal wieder – aber nur sporadisch, ehrlich gesagt. Es geht eben doch jeder seinen eigenen Weg. Ich hoffe aber, viele der Jungs von früher wiederzutreffen. Ich habe eine Telefonnummer von Eric Boggan, der irgendwo in New York City wohnen muss. Der wird aus allen Wolken fallen, damit rechnet der nicht. Ich würde gerne auch Mike Bush, einen anderen ehemaligen Mannschaftskollegen aus Hamm, Erics Bruder Scott
und Daniel Seemiller wieder sehen. Die beiden haben damals auch in Deutschland in der Bundesliga gespielt. Und wenn es denn geht, möchte ich natürlich mit ihnen noch mal die Klingen kreuzen. Das wäre großartig.
Sie waren ja damals so eine Art Kontaktmann zwischen deutschem und amerikanischem Tischtennis. Und mit Boggan hat alles angefangen?
Hürmann: Genau. Ich hatte Eric in Amerika kennen gelernt, habe dann den Kontakt zu GW Bad Hamm hergestellt. Ich wusste schon, dass er ein richtig Guter ist. Eric hatte einen ungewöhnlichen Spielstil – und hat damit die ganz Großen ärgern können. Wie Jan-Ove Waldner oder Erik Lindh. Er hat große Siege gefeiert in der Bundesliga und war am Ende seiner Zeit in Deutschland einer der 20 besten Spieler der Welt.
Sie selbst haben sich in den 70er Jahren in Amerika mit den besten Spielern des Landes gemessen. Wie funktioniert Tischtennis in den USA? Vergleichbar?
Hürmann: Nein, das ist ganz anders als hier. Tischtennis ist in Amerika vor allem ein Turniersport. Für ein Ligensystem ist das Land einfach zu groß. Aber bei Turnieren trifft sich regelmäßig die
Tischtennis-Gemeinde aller Spielstärken. Und die Championships waren meist echte Abenteuer. Wenn am Samstag ein Wettkampf war, haben wir uns freitags in Phoenix mit ein paar Leuten in ein altes Auto gesetzt, sind manchmal 800, 900 Kilometer durch die Walachei gefahren, haben in irgendeinem Motel übernachtet und sind dann an die Tische gegangen. Die amerikanische Tischtennis- Community ist zwar nicht groß, ich hatte aber immer wieder spannende Begegnungen.
Wie zum Beispiel?
Hürmann: Ach, da gab es unzählige. 1977 habe ich gegen die US-Legende Marty Reisman im Finale der amerikanischen Meisterschaft im Hardbat gewonnen. Marty war ein Showman, der es liebte, um Geld zu spielen. Da kam es schon mal vor, dass er bei 19:19 im entscheidenden Satz das Spiel unterbrach, ein paar Hundert-Dollar-Noten unters Netz klemmte und erst weiterspielte, wenn seinGegenüber auch mitzog. Nachdem ich ihn ´77 in Las Vegas besiegt hatte, lud er mich ein, mich im legendären Lawrence‘s Table Tennis Club in Manhattan wieder mit ihm zu duellieren. Um mit ihm um jede Börse zu spielen, die ich bereit war zu setzen. Ich habe abgelehnt. In so einem money match hätte ich gegen ihn gar keine Chance gehabt… (lacht).
Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zum amerikanischen Tischtennis?
Hürmann: 2007 war ich noch mal drüben, habe mit meinem Sohn Noel, der in der Nähe von Salt Lake City wohnt, bei den US Open gespielt. Just for fun. Aber auch da lief es gleich wieder wie früher.
Ein anderer Teilnehmer hatte Gefallen an meinem Spiel gefunden.
Er hat er gesagt: ‚Franz, du kannst mich jederzeit besuchen kommen und solange bleiben, wie du möchtest, solange du regelmäßig mit mir Tischtennis spielst.‘
…und Sie haben angenommen?
Hürmann: Na klar! Gar nicht viel später war ich für vier Wochen in Anchorage in Alaska und habe da in allen möglichen Lokalitäten gespielt. Es gibt so viele Tischtennis- Verrückte in Amerika, für die es nicht Größeres gibt.
Das fällt in einem so riesigen Land nur nicht so ins Gewicht.
Franz-Josef Hürmann
Erstmals hatte es ehemaligen Bundesliga- Spieler des TTC GW Bad Hamm, der mittlerweile seit über 15 Jahren für die TTF Bönen zum Schläger greift, 1972 im Rahmen eines Auslandssemesters nach Amerika verschlagen. Schon 1974 schiffte er sich erneut Richtung USA ein. Phoenix im US-Bundesstaat Arizona wurde für fünf Jahre
seine Heimat. Hürmann heiratete, gründete eine Familie – und machte sich überdies einen Namen in der Tischtennis-Szene Nordamerikas.
1977 gewann er, als Ehemann einer Amerikanerin mit einer Green Card ausgestattet und somit gleichberechtigt mit gebürtigen US-Amerikanern, die amerikanischen Meisterschaften im Hardbat. Im Finale besiegte er als Underdog im Ceasar’s Palace in Las Vegas die amerikanische Tischtennis-Legende Marty Reisman.
In der offenen Klasse scheiterte er im selben Jahr im Viertelfinale denkbar knapp – und verpasste somit nur um wenige Ballwechsel den Sprung in die amerikanische Nationalmannschaft, der ihm im Folgejahr eine WM-Teilnahme ermöglicht hätte.
1979 kehrte Hürmann schließlich nach Deutschland zurück. Im Gepäck hatte er unter anderem den amerikanischen Weltklasse-Spieler Eric Boggan, mit dem er dann für den TTC GW Bad Hamm gemeinsam in der Bundesliga antrat.
Es sollte nicht der letzte Amerikaner im deutschen Spitzentischtennis bleiben. Hürmann war Wegbereiter für eine kleine amerikanische Ära während der 80er Jahre.
Augenblicklich reist der Defensivspezialist zurück in seine Vergangenheit. Er tourt durch die Staaten, von New York durch Chicago bis nach Salt Lake City – überall auf der Suche nach alten Weggefährten und der Gelegenheit, mit dem amerikanischen Tischtennis der Gegenwart in Kontakt zu kommen.