Die Reise geht weiter

Nach der WM in Las Vegas besucht Franz-Josef Hürmann mit dem Rad seinen Sohn in Utah  
Die Satteltaschen sind wieder voller geworden. Mit einer Silber- und einer Bronzemedaille im Gepäck hat FranzJosef Hürmann in dieser Woche Las Vegas verlassen. Dort hatte der Altmeister der TTF Bönen in den vergangenen Tagen bei den 19. Senioren-Weltmeisterschaften eines der besten Turniere seiner Senioren-Laufbahn bestritten.
„Das war in jedem Sinne eine außergewöhnliche Woche für mich“, sagte Hürmann. Sie endete für den Landesligaspieler der Tischtennisfreunde mit Platz drei im Einzel und Rang zwei im Doppel an der Seite von Gerd Werner von der TTG EK Oftersheim.
Las Vegas hatte der Bönener rechtzeitig zum Turnierstart am 18. Juni erreicht. Was nicht selbstverständlich war angesichts seiner Anreise: Hürmann war die letzten 700 Kilometer von San Diego bis nach Las Vegas entlang der legendären Route 66 mit dem Fahrrad durch die MojaveWüste gefahren. Doch auch „die größte Herausforderung meiner Reise“, die Radtour durch menschenleere Wüstenlandschaft bei extremer Hitze, meisterte der Bönener.
Schon im März war er in Hamm aufgebrochen: Mit dem Fahrrad war er in die italienische Hafenstadt Genua gefahren, dort an Bord des Containerschiffs Cap Jackson gegangen, das ihn über einen Monat später in San Francisco an der Westküste der USA abgesetzt hatte.
Nach Stopps in Santa Clara im Silicon Valley und San Diego, wo Hürmann seinen alten Bekannten, den schwedischen ExWeltmeister Stellan Bengtsson, besuchte, hatte der Bönener seine finalen Etappen in Richtung WM-Spielort in Angriff genommen. Im Las Vegas Convention Center war Hürmann einer von über 4000 Startern beim größten Tischtennisturnier der Welt.
„Es kommt die große Tischtennisfamilie zusammen“, erzählt Hürmann. Was allerdings auch bedeutet, dass der Landesligaspieler in den ersten Runden gegen Hobbyspieler antrat und deutlich gewann. Das änderte sich im Hauptfeld, in dem Hürmann ein besonderes Turnier spielte.
Dreimal in Folge gewann er auf dem Weg ins Halbfinale in der Verlängerung des fünften Satzes – gegen Zhang Xiaoning (China), Milan Rakovicky (Tschechien) und Rein Lindmäe (Estland). „Der Tischtennisgott hat wohl einige Male ein Auge zugedrückt und sich für mich entschieden“, meinte Hürmann mit einem Lachen. „Nach dem Motto: Den kann ich nicht all den Mühen nicht jetzt schon hängenlassen.Und damit er am Ende nicht durchdreht, wird’s eben nicht Gold.“
Denn im Halbfinale endeten Hürmanns Titelträume: Gegen den favorisierten Chinesen Huang Jianjiang verlor er in fünf Sätzen. Der Materialspieler zog Hürmann mit unorthodoxen Spiel den Nerv. „Er konnte perfekt mit seinem Material umgehen. Das war leider Tischtennis zum Abgewöhnen“, sagte Hürmann. Aber dennoch erfolgreiches: Der Chinese besiegte Hürmann in fünf Sätzen und holte sich später den Titel. Die Niederlage verschmertze Hürmann schnell. Denn er war sehr zufrieden. „Die WM war mir zwar wichtig, aber sie war eben nur ein Puzzleteil meiner großen Reise“, erklärte der Bönener. Er sieht darin einen Grund für sein prächtiges Abschneiden: „Ich konnte locker und selbstbewusst auftreten, das hat mir sehr geholfen.“
Gefragter Gesprächspartner
Während der Turniertage musste Hürmann so manches Mal die Geschichte seiner spektakulären Anreise erzählen, die sich längst im Teilnehmerfeld herumgesprochen hatte. „Das war schon etwas Besonderes.“ Der Bönener, der in den 70er Jahren für einige Jahre in den USA lebte, traf viele alte Weggefährten wieder.
Wie die US-amerikanischen Tischtennis-Legenden Danny Seemiller und George Braithwaight, der in den 80er Jahren Teil der historischen Ping-Pong-Diplomatie zwischen den USA und China war. Aber auch wie die europäischen Tischtennis-Ikonen Eric Lindh und Jörg Roßkopf. Der aktuelle deutsche Nationaltrainer und Rekord-Nationalspieler Roßkopf gehörte in Las Vegas zu den Stars.
Mittlerweile sind die Weltmeisterschaften Vergangenheit „Und neue Abenteuer warten auf mich“, erzählt Hürmann. Zwar wird der Bönener in den nächsten Wochen und Monaten nicht mehr regelmäßig zum Tischtennisschläger greifen, aber er wird seine Reise durch die USA fortsetzen – und das natürlich größtenteils mit dem Fahrrad.
Nächstes Ziel von Franz-Josef Hürmann ist Provo im US-Bundesstaat Utah. Dort lebt sein Sohn Noel, der in der vergangenen Saison bei Deutschland-Aufenthalten auch einige Meisterschaftsspiele für die TTF Bönen absolviert hatte. Und immer wenn Franz-Josef Hürmann die Erinnerungen an eine außergewöhnliche Weltmeisterschaft auffrischen möchte, dann helfen ihm dabei die Medaillen in seinen Satteltaschen.  Jan