Leben in der heiligen Stadt

Alexandra Thätner zieht für das theologische Studienjahr nach Jerusalem

Für drei Weltreligionen ist Jerusalem eine heilige Stadt. Sie  beherbergt die Klagemauer, die religiöse Stätte des Judentums, mit der Al-Aqsa-Moschee die drittwichtigste Moschee des Islams und schließlich die Grabeskirche Jesu. Für eine angehende Theologin wie Alexandra Thätner gibt es daher kaum einen spannenderen Ort als Jerusalem. Die Bönenerin wird nun acht Monate lang Zeit haben, die Stadt mit ihren Heiligtümern und historischen Hintergründen, vor allem aber auch die Menschen dort kennenzulernen.

Wenn es um Israel geht, schwingt der Gedanke an den Nahost-Konflikt natürlich immer mit. Das geht auch den Freunden und der Familie von Alexandra Thätner nicht anders. Ganz unbesorgt lassen sie die 24-Jährige also nicht gehen. „Aber besonders meine Mutter unterstützt mich dennoch“, sagt die Theologiestudentin.

Für sie selbst ist die jahrzehntelange Krise in Israel und Palästina momentan weniger ein Thema, als der Gedanke daran, acht Monate von ihren Freunden, Kommilitonen, den Mannschaftskameraden bei den Tischtennisfreunden und ihrer Familie getrennt zu sein. „Es ist ziemlich weit weg“, stellt die Bönenerin fest. Dozent überzeugt Bönener Studentin Und eigentlich ist sie nicht unbedingt ein „Zugvogel“. „Während meiner Schulzeit war der Gedanke an ein Auslandsjahr für mich total abwegig.“

Und noch während ihres Bachelor-Studiums in Paderborn kam ihr nie der Gedanke an ein Auslandssemester. Erst nachdem sie vor knapp zwei Jahren das Magister-Studium Katholischer Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Augustin aufgenommen hat, wuchs diese Idee. „Schuld“ daran ist Bruder Antonius. „Er hat gleich zu Beginn des Semesters für das theologische Studienjahr Jerusalem, wie es offiziell heißt, geworben. Und zwar sehr aktiv“, erzählt die 24-Jährige und lacht. Sie habe einfach nicht schnell genug „Nein“ gesagt. Also hakte der Dozent nach – und war dabei äußerst überzeugend.

Ende 2017 schickte die Studentin ihre Bewerbung ab und wurde schließlich zum Auswahlverfahren im Mai nach Bonn eingeladen. Dort musste sie mehrere Prüfungen bewältigen, unter anderem in Griechisch und Hebräisch, in Islamwissenschaften, dem Alten und Neuen Testament, Judentum und Ökumene. „Es war schon ein komisches Gefühl, allein vor zehn Prüfern zu stehen“, erinnert   sie sich.

Offenbar machte die Bönenerin aber einen guten Eindruck: Im Juni bekam sie die Zusage, am 19. August startet ihr Flieger in üsseldorf. Finanziert wird das Studienjahr über ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). In Jersualem wird Alexandra Thätner gemeinsam mit 21 weiteren Studenten aus dem deutschsprachigen Raum in einer Benediktiner-Abtei leben und lernen. Gelehrt wird überwiegend in Deutsch, es werden aber auch   einige Vorlesungen in englischer Sprache auf sie zukommen.

„Wir werden israelische Dozenten haben, die uns zum Beispiel etwas über das Land beibringen“, so die 24-Jährige. Geplant seien außerdem unter anderem christlichmuslimische Werkwochen, bei dem einer etwas von dem anderen lernen soll. „Für mich ist es eine große Chance, den Nahost-Konflikt vielleicht etwas besser zu verstehen“, sagt Alexandra Thätner. Sie freut sich aber vor allem darauf, das Leben in Israel, das der Benediktiner in der Abtei und die Menschen dort kennenzulernen. Zwar musste sie für ihr Studium bereits zwei Semester Alt-Hebräisch lernen und hat dies in einer Lektüregruppe anschließend auch vertieft, doch das habe wenig mit dem modernen Hebräisch zu tun. Ein Sprachkursus vor Ort ist deshalb für sie Pflicht, übrigens auch in palästinensischem Arabisch.

Ihr persönlicher Höhpunkt des achtmonatigen Aufenthalts ist die vorgesehene Exkursion in die Wüste. „Damit habe ich mich immer motiviert, wenn ich für die Prüfungen des Auswahlverfahrens gelernt habe“, erzählt die ehemalige MCG-Schülerin. Sie hat sich vorgenommen, in diesem besonderen Jahr das Studium nicht ausschließlich in den Vordergrund zu stellen – angerechnet auf ihr Studium in Deutschland wird ohnehin kaum etwas von dem, was sie  in Israel lernt. Vielmehr möchte sie die Zeit für sich nutzen, Erfahrungen sammeln und sich über das eigene Leben Gedanken machen.

Schließlich muss sie sich bald entscheiden, in welche Richtung es bei ihr beruflich weitergehen soll. Möglich wäre etwa die praktische Arbeit in den Gemeinden als Pastoralreferentin oder stattdessen eine Promotion, um später wissenschaftlich zu arbeiten. „Jetzt bin ich aber erst mal ganz gespannt auf die acht Monate, auf das Leben bei den Benediktinern. Und ich freue mich darauf, gesund wiederzukommen.“